Ein Zeitungsartikel des Hl. Maximilian Kolbe aus dem Jahr 1923:
Maximilian Kolbe: Kirche und Sozialismus
Hin und wieder begegnet man der Frage: „Warum verdammt die Kirche den Sozialismus?“ Vor gar nicht allzu langer Zeit wurde auch mir diese Frage gestellt. Ich hatte daraufhin versprochen, hier in unserer Zeitschrift „Ritter der Immaculata“ eine Antwort zu geben, ein Versprechen, dass ich jetzt einlösen werde.
Natürlich habe ich hier aufgrund der Zeilenbeschränkungen, die uns ein kurzer Artikel auferlegt, nicht die Möglichkeit, eine detaillierte Analyse der Anfänge, der Grundaussagen, der Entwicklung und der verschiedenen Untergruppen, die den Sozialismus prägen, zu geben. Ich werde mich daher auf eine kurze Analyse seiner grundsätzlichen Prinzipien im Verhältnis zur Kirche beschränken.
Jedes wissenschaftliche Modell, sowohl politisch als auch wirtschaftlich und natürlich auch sozialwissenschaftlich, muss aus den konkreten, den wirklichen Zuständen abgeleitet werden und darf sich nicht auf den haltlosen Illusionen und Forderungen einer glückseligen Phantasiewelt gründen. Unglücklicherweise liegt aber genau hier das Grundproblem des Sozialismus.
Haltlose Behauptungen sind Aussagen, die endlos wiederholt werden, ohne dass jemals ein Beweis für ihre Richtigkeit erbracht wird. So wird behauptet, es gebe weder Gott noch eine unsterbliche Seele, weder ein Leben jenseits des Grabes, noch Himmel oder Hölle und so weiter.
Mussolini zum Beispiel verwirft all diese Begriffe als Anachronismen, die nicht auszurotten sind und sich recht gewaltsam in den Köpfen der Bevölkerung halten. Dabei gründet der Sozialismus auf ganz ähnlichen Begriffen.
Hören wir uns also einmal an, was die Wortführer des Sozialismus zu sagen haben. Bebel: „Es sind nicht die Götter, welche die Menschen erschaffen, es sind die Menschen, die sich die Götter, Gott machen.“ [1] (Die Frau, 426).
Liebknecht: „Was mich anbelangt, habe ich mich schon lange von der Religion befreit. Ich wurde zu einer Zeit geboren, in der den deutschen Studenten sehr früh schon die Prinzipien des Atheismus beigebracht wurden.“ (Volksblatt, 1890, Nummer 281).
Hoffmann hält das Mysterium der Heiligen Dreieinigkeit, die Gottheit Jesu, die Unsterblichkeit der Seele und die ewige Erlösung für die größte Utopie aller Utopien.
Dietzgen: „Wenn Religion auf dem Glauben an überirdische Wesen basiert, an höhere Kräfte jenseits unserer Welt, an spirituelle Wesen und Götter, dann darf es in der Demokratie keine Religion geben.“
Über sich schrieb Leo Frankel, ein Freund von Marx in seinem Testament: „Ich glaube weder an den Himmel noch an die Hölle oder an ewigen Lohn und Strafe.“ (Vorwärts, 1896, Seite 81).
Und in der parlamentarischen Sitzung vom 31. Dezember 1881 sagte Bebel klar und deutlich: „Im Politischen wollen wir eine Republik, im wirtschaftlichen Bereich den Sozialismus und in dem, was man als religiösen Bereich bezeichnet, den Atheismus.“
Das heißt also, der geistige Horizont eines Sozialisten, der weiß, was er will, reicht nicht über den Sarg hinaus. Eingemummt in die Materie, wie in einen Kokon, glaubt er, das Glück bestünde in nichts anderem, als sich wie ein Tier in dieser Welt zu befriedigen, während ein etwas idealistischerer Mensch noch über Lernen und Kunst nachdenkt.
Aber ist das alles nicht vielleicht ein bisschen wenig für den Menschen, dessen Gedanken die Atmosphäre durchdringen, die nach den Sternen greifen und sich über die Räume des Firmaments erstrecken? Der Mensch, dessen Verstand beständig danach strebt, Ursachen zu finden, ist der nicht auch darauf aus, die erste Ursache und den Anfang des Universums zu ergründen? Der Mensch, dessen Herz beständig danach verlangt, so viel Ruhm und Glück zu erlangen, wie es nur erringen kann. Begehrt ein solches Herz nicht nach mehr? Ein Herz, das spürt, dass keine Begrenzung, sei diese noch so weit gefasst, jemals seine Bedürfnisse wird erfüllen können?
Der Mensch begehrt das Gute, aber das unbegrenzt Gute! Können wir von uns wirklich verlangen, unserem Glück Beschränkungen und Grenzen aufzuerlegen?
Wie können also solch kleinkarierten Geister, gefangen im gröbsten Materialismus, das Glück der Menschheit verwalten? Werden sie die Menschheit alleine durch die Befriedigung materieller Bedürfnisse glücklich machen? Werden sie in der Lage sein, jeden Menschen mit Gold zu überhäufen, ihn mit Glanz umgeben und ihm die Möglichkeit geben, zu konsumieren und zu genießen? Das sind Halluzinationen einer kranken Phantasie!
Ich hatte bereits nachgewiesen, dass alles, was die Welt geben kann, den Menschen niemals endgültig befriedigen wird. Alle weltlichen Güter haben ihre Grenzen: Sie lassen den Menschen irgendwann immer im Stich und wecken das Bedürfnis nach größerem und länger anhaltendem Glück.
Und wenn das irdische Glück vergeht, wird die Seele überwältigt von Langeweile, Ermüdung und einer Art Dunkelheit. Falls die Seele ihre Fähigkeit, umsichtig zu denken, noch nicht verloren hat, wird ihr deutlich werden, dass sie den falschen Weg Richtung Glückseligkeit eingeschlagen hat.
Aber vielleicht wird der Sozialismus es dem Menschen zumindest ermöglichen, den Bedarf an irdischen Gütern zu befriedigen?
Nein, noch nicht einmal das gelingt ihm. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Das sind schöne Ideale. Aber da der Sozialismus die menschliche Natur vergewaltigt, die eines weiteren Horizonts bedarf und nach der Unendlichkeit strebt, kann er unmöglich diese Ideale umsetzen: Sie sind für ihn viel zu edel und zu sublim.
Freiheit
Der Sozialismus hat das Recht auf Privateigentum abgeschafft oder zumindest das Recht darauf, Produktionsmittel zu besitzen. Daher ist es jetzt der Staat, der vorschreibt, welche Art von Arbeit verrichtet werden muss, es ist der Staat, der festschreibt, wie diese Arbeit bezahlt wird, und schließlich ist es der Staat, der diese Arbeit entlohnt. Und das soll nun angeblich Freiheit sein.
Bezüglich dieses Themas erinnere ich mich an ein Gespräch mit einem Landwirt in Zakopane. Er war gerade aus russischer Haft entlassen worden und nun besessen von der bolschewikischen Idee, dass man zu den Reichen gehen muss, um ihnen ihren Besitz wegzunehmen. Als ich ihn fragte, was dann mit seinem eigenen Stück Land passieren würde, behauptete er, er würde dann eben seine Felder selbst bearbeiten
„Und was ist, wenn Du später einmal nicht mehr selbst deine Felder bearbeiten willst?“
„Dann haben andere eine Verpflichtung, zu der man sie zwingen wird…“ (An dieser Stelle brach er ab.) „Aber viel lieber würde ich mein kleines Stück Land behalten, da ich es vorziehe, alles dann zu machen und auf die Art zu machen, wie ich das möchte, als jemanden zu haben, der über mich bestimmt.“
Und genau das ist das natürliche Bedürfnis, das die Sozialisten ausnützen, um eine vermeintliche Freiheit zu errichten, die dann im Namen der Freiheit dieses Bedürfnis zerschlägt.
Und wie steht es mit der Gleichheit?
Vor Gott sind alle Menschen gleich, da wir alle eine Schöpfung Seiner Hände sind. Wir sind alle durch das Blut des Gott-Menschen erlöst worden. Wir alle haben Gott als unser letztendliches Ziel; wir alle leben ausschließlich dafür, Zeugnis unserer Treue zu geben und verdienen es daher nach unserem Tod in Gottes Reich einzugehen. In all dem ist Gleichheit.
Aber kann man Gleichheit auch in dieser Welt in allen Bereichen verwirklichen? Das wäre durchaus möglich, würden wir alle zur gleichen Zeit, am gleichen Ort, unter den gleichen natürlichen und sozialen Bedingungen leben. So etwas ist jedoch physikalisch unmöglich. Wir alle unterscheiden uns, was unser Alter und unseren Geburtsort anbelangt. Wir unterscheiden uns von unseren Fähigkeiten her, durch unsere Neigungen, was unsere Gesundheit anbelangt, unsere Leistungsbereitschaft, in unserer Fähigkeit vorauszuschauen; aber auch in Bezug auf die unterschiedlichen Ereignisse, die uns im Laufe unseres Lebens und Handelns begegnen. All das liegt in der Natur der Dinge und kann daher nicht verändert werden. Zusätzlich muss es Eltern und Kinder, Vorgesetzte und Untergebene geben.
Brüderlichkeit, edle Brüderlichkeit, die uns durch unseren Herrn Jesus Christus so dringend anempfohlen wurde.
Floriert Brüderlichkeit im Sozialismus? Ich habe hier den Bericht eines Korrespondenten des Warschau Kuriers [Kurier Warszawski ] aus Sopot vorliegen, der unter anderem schreibt:
„Das sowjetische Kabaret hier im Ort richtet sich an eine ganz bestimmte Zielgruppe, bei der das Geld ganz sicher ziemlich locker sitzt. Für diese Leute gibt es Krabben frisch aus dem Meer, Ananas und Pfirsiche in Eis mit Champagner, Weintrauben, Süßigkeiten und verschiedene Eissorten im Glas mit heißem Punsch.
Und die Klientel? Die russischen Kabarettisten müssen eine Kundschaft bedienen, die mit dieser Art von Sprache vertraut ist. […] [2] An den besten Tischen, in Nähe der Flaschen an der Bar, sind die Bolschewiken in ihren brandneuen Uniformen mit dem bolschewistischen Stern auf ihren Revers und einem dicken Ring an ihren Fingern, mit einem wertvollen Stein, […] … In Sopot knausern die ranghohen sowjetischen Funktionäre ganz sicher nicht mit dem Geld. Nachdem sie ganze Städte voll von Leichen verhungerter Menschen hinter sich gelassen und die orthodoxen Kirchen geplündert haben, sind sie auf der Suche nach einem Ort der Erholung, an dem sie ihr Geld mit Glücksspiel, Champagner und jeder anderen Art der Unterhaltung verschleudern können.“
Bemerkenswert ist auch die Passage aus einem Brief aus Odessa, der im Wolyń Journal [Dziennik Wołyński] abgedruckt wurde:
„Was bringt es mir, wenn ich 300.000 Rubel am Tag verdiene, wenn ein Sack Mehl 12.000.000 kostet, ein Sack Weizenmehl 20.000.000, ein halbes Kilo Brot 300.000, weißes Brot 500.000, ein Pfund Butter 1.500.000 und ein Pfund Schmalz das gleiche; Eier kosten 100.000 und so weiter. Die Epidemie nimmt erschreckende Ausmaße an. Früher lagen die Leichen von Leuten, die verhungert waren, hin und wieder für ein paar Tage auf der Straße herum…
Heutzutage werden zusätzlich auch noch die Leichen jener auf der Straße liegen gelassen, die an Cholera, Typhus, Beulenpest usw. sterben. Die Toten werden dann wie die Hunde verscharrt; nackt, da selbst der billigste, ungehobelte Sarg noch 10 Millionen Rubel kostet. Unsere Kinder haben eine ungeheure Sehnsucht nach euch, sie wollen flüchten, sie wollen zurück in ihr Heimatland. Aber die große sowjetische Hand hat scharfe Rasierklingen an ihren Fingern. Damit schneidet sie die Flügel derjenigen ab, die das Bedürfnis verspüren, zu flüchten.
Wir haben uns alle mit Typhus infiziert. Und wie du weißt, ist es ungeheuer wichtig, nachdem man solch eine Krankheit überstanden hat, sich gut zu ernähren, aber wo sollen wir die nötigen Lebensmittel herbekommen? Ansonsten werden wir einen Rückfall bekommen und das wird, das sind wir uns sicher, unser aller Tod sein. Dennoch ziehe ich es vor, an einer Infektionskrankheit im Fieberdelirium zu sterben, als langsam wegen Unterernährung dahinzusiechen …“
Und das soll nun die Brüderlichkeit und Gleichheit sein, wie sie die Bolschewiken verkündet hatten? Ist das wirklich das Paradies, von dem Marx träumte? Die Wirklichkeit sieht anders aus!
Sicherlich muss anerkannt werden, dass die Arbeiterklasse lange Zeit nur wenig Aufmerksamkeit erfuhr, bis der Sozialismus für sie eintrat. Aber wir müssen uns klarmachen, dass der Sozialismus die Kirche zerstören möchte, dass er die Arbeiter und selbst ihre Kinder um ihren größten Schatz bringen möchte, nämlich den Glauben und ihre Ideale. Der Sozialismus, so wie er heute ist, bringt den Menschen nichts als Sklaverei und die Tyrannei der Regierung über die Bürger. Er kann die edlen Hoffnungen einer freien menschlichen Natur nicht anerkennen. Solche „Abweichungen“ sind allerdings kein Zufall. Vielmehr sind sie das eigentliche Geschäft jener „Brüder“ des Hammers und der Kelle,[3] die jede Möglichkeit nutzen, das Motto, das sie im Jahr 1717 ausgerufen hatten, umzusetzen, nämlich „alle Religionen, insbesondere die Christliche auszumerzen.“
Sicherlich entwickelt und verbessert sich das soziale Gefüge einer Gesellschaft mit der Zeit. Dennoch wird solche eine Fortentwicklung niemals erreicht durch einen Weg, der sich nicht im Einklang mit der Wahrheit und der menschlichen Natur befindet. Müssen wir mit diesen Tatsachen konfrontiert, uns wirklich noch die Frage stellen, warum die Kirche ihren Kindern verbietet, Sozialisten zu sein?
Literatur:
Rycerz Niepokalanej (Ritter der Immaculata), Hrodna, Ausgabe Februar 1923, S. 17–21.
[1] August Bebel: „Die Frau und der Sozialismus“, Berlin 1973, S. 485.
[2] Als Übersetzer habe ich mir an dieser und an der folgenden Stelle erlaubt, zwei kurze Sätze auszulassen, die auf die von Johannes Rogalla von Bieberstein in seinem Werk: „Jüdischer Bolschewismus: Mythos & Realität“ behandelte Problematik anspielen. In einer Online-Publikation hat sich, aufgrund der zunehmenden Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland, leider auch der große Heilige Maximilian Kolbe den allgemeinen Zensurvorgaben zu unterwerfen. Sollte ich jedoch, wie geplant, diese Texte einmal in Buchform publizieren, werde diese Sätze selbstverständlich in voller Länge abgedruckt.
[3] Eine Anspielung auf die Freimaurer, die nach Ansicht Maximilian Kolbes die Urväter des Sozialismus waren.